Freitag, 13. November 2009

Zabriskie Point

Man könnte annehmen,„Zabriskie Point“ sei von einem Verlangen nach Leere geprägt, nach Vernichtung aller Zivilisation. Der Held Mark stiehlt ein Flugzeug, weil er die „Erde verlassen“ will, der Gewalt der Studienrevolte den Rücken zuwenden will. In der Wüste trifft er Daria, unter noch zu beschreienden Umständen, fährt mit ihr zum Zabriskie Point, einem Naturdenkmal im Death Valley, einem Ort, der nicht, wie Daria mein, „ruhig“ ist, sondern „tot“ wie Mark meint. In einem stillgelegten Minenschacht findet er ein Stück Salz in Scheibenform, sagt, dass sei das einzig, was von den Goldgräbern übriggeblieben sei. Daria leckt mit ihrer Zunge an diesem zur Leiche imaginierten Mineral, hier, am Ort des Toten, nach der Auffindung diees Toten küssen sie sich zum ersten Mal, lieben sich im Staub der Wüste. Am Schluss kehrt Mark zurück, er will das Flugzeug, durch Bemalung entstellt, zurückgeben, dabei wird er erschossen. Daria fährt zu der Verkaufsverhandlung, zu ihrem Chef, zur der sie ursprünglich unterwegs gewesen war, nachdem sie aus dem Radio erfahren hat, dass Mark tot ist. Die Konferenz findet in einem Bungalow weit ab der Zivilisation statt, neben eine Quelle gebaut. Daria schleicht sich ins Haus, an den Ehefrauen der Verhandelnden vorbei, die am Swimming Pool in der Wüste plaudern, während ihre Männer über den Verkauf von Wüstenland verhandeln, das besiedelt werden soll. Daria schleicht am Pool vorbei zur Quelle des Wassers, die von einem Felsen rinnt, stellt sich ins Wasser und weint. Nachher geht sie ins Haus, wird von ihrem Boss freundlich zu ihrem Zimmer gewiesen. Unten, auf ihrer Etage angekommen, lächelt sie der indianischen Putzfrau zu, offensichtlich scheint sie sich ihr verbunden zu fühlen, so wie sie den reinen Fels dem Pool vorzog. Am Schluss rennt sie aus dem Haus, schaut zurück, und erträumt die Explosion des Hauses. Danach geht sie in den Sonnenuntergang. Dieser Wunsch, das Haus in die Luft zu sprengen lässt sich als reinste Zivilisationskritik verstehen, als Begehren der Entfernung der erbauenden Menschheit vom Planeten, als Schlag gegen die unaufhaltsame Fronteer, die immer weiter vordringt.

Nach der Explosion des Hauses werden jedoch noch andere Explosionen eingeblendet: Der Regisseur Antonioni lässt Bibliotheken explodieren, Fernseher, Kühlschränke. Und gerade in dieser demonstrativsten aller Kritiken, in der gewalttätigen Vernichtung, subvertiert der Film seine eindeutige Botschaft. Die sensationellen Slow-Motion-Aufnahmen der Kultursplitter, die offensichtliche Freude, die der Regisseur an diesen Explosionen empfinden haben mag, zeigen, dass es hier zwar um eine Sehnsucht nach Gewalt, nach Ver-Nichtung von Kultur geht, die aber stehen bleibt, der Versplitterung fasziniert beiwohnt, den diamantenen Splittern des Fernsehbildschirms genauso gebannt nachsieht wie dem flatternd zerfetzten Barsch und dem geköpften Hummer. Hier wird auch klar, wie die erste Begegnung von Daria und Mark zu verstehen ist: Ihr Vorspiel beginnt damit, dass Mark, genau wie die Explosionen, repetittiv über Daria hinwegfegt in seinem gestohlenen Flieger, sie aus den Lüften angreift, fast streift, während sie in einem Auto durch die Wüste fährt. Sie berühren sich jedoch nicht, ihre Maschinen, die sie beide von der Zivilisation wegbringen sollten, geben ihrer geben ihrer Annäherung eine erotische Beschleunigung, sind Mittel eines technischen Streichelns im menschenleeren Raum. Es geht nicht um leere, sondern um die behinderungsfreie, dezentrierte Mobilität aller Teile, um ein unverhersehbares Begegnen von Menschen und Dingen. Die Ästhetik der Explosion enthält sicherlich das Begehren nach der Zerstörung der Konsumgesellschaft, deren Insignien sie hier vernichtet, aber der lang anhaltende Blick zeigt, dass das Spiel mit der Technik weit mehr Freude bereitet als reruralisierende Projekte: In der ersten Szene wird Mark gezeigt, wie er den langweiligen basisdemokratischen Diskussonen an der Uni den Rücken zuwendet, „Diskussionen sind nicht sein Ding“. Er wendet sich von der Politik als Diskussion ab, wozu, wie einer nach seinem Abtritt sagt, sogar Anarchisten fähig sein müssten. Wenig später sieht man ihn im Waffenladen, wo er die Waffe kauft, die er nie anwendet. Mark bleibt in der Schwebe zwischen gemeinschaftlicher Politik und gewalttätiger Radikalität stecken, in einem Spiel der Teile, in dem gebannten Hoffen, dass irgend ein Ding ihn kreuzt.

Diedrich Diedrichsen schreibt in seinem Nachruf auf Antonioni, der Film sei eine „Reise durch die Idee der Politisierung“. Beginnt er bei den Black Panthers, mit einem Kampf gegen rassistishe Unterdrückung, endet er mit dem Tod für einen sinnlosen Potlatchversuch, ein bunt bemaltes Flugzeug zurückzuschenken und der Faszination an der Ästhetik imaginierter Gewalt.


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