Sonntag, 18. September 2011

Neoliberale Fellpflege


Der aufstrebende Jungfreisinnige Dominik Tiedt meinte letzthin in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger, persönlich setze er sich mit Spenden für gemeinnützige Organisationen ein:

„‚Die Allgemeinheit liegt mir durchaus am Herzen.’ Er habe daheim auch eine Katze, fügt er an."

Die Parallelmontage hungernder Kinder, die für Spenden und geschmeidigen Haustigern, die für Katzenfutter werben ist uns aus dem Nachmittagsfernsehprogramm bekannt, in ihr wird die Selbstverständlichkeit der ungleichen globalen Verteilung am schmerzhaftesten vorgeführt. Haustiere sind Luxusgüter, sie nützen nichts, wir hegen und pflegen sie nur, weil wir sie lieben, aus dieser Liebe allein ziehen sie ihr Existenzrecht. Wenn ein Jungfreisinniger nun also seine Katze und die von Spenden abhängige Hilfsorganisationen in einem Atemzug nennt, so ist das ein Freudscher Versprecher im besten Sinne. In ihm kommt eine kognitive Karte zum Vorschein: Umverteilung ist hier stets eine Sache des persönlichen Gefallens; Unterstützung der Allgemeinheit immer nur freiwillige Almosenspende, charity, liebevolle Zuwendung zu den Armen und Bedürftigen. Willkommen in der Welt von Sheba.

Donnerstag, 8. September 2011

App-War im Wahlzirkus!



Felix Gutzwiler hat eine Pionierleistung erbracht: Freiwillig setzt er sich mit seiner neuen App "Talking Felix" der Lächerlichkeit aus. "Talking Felix" fordert geradezu dazu auf, verhohnepiepelt zu werden. Doch Gutzwilers Medienbüro hat erkannt, dass es immer noch besser ist, in Youtube-Videos mit schmutzigen Wörtern im Mund rumgereicht zu werden als gar nicht auf dem Pausenhof besprochen zu werden. Der Urnengang vieler psychopharmazeutisch interessierter Jugendlicher wird Gelix gewiss sein. Wo so viel Erfolg ist, da ist auch schon bald die Guerilla-Partei im eigentlichen Sinne: Auch die SVP hat mit ihrem Masseneinwanderungsstopp die Gunst vieler Street-Artisten erobert und will nun diese Strategie auch im digitalen Raum weiterbetreiben. So wurde aus vertraulichen Kreisen verlautet, dass auch Christoph Blocher mit einem App-Äffchen in den Wahlkampf ziehen will. Es soll im Design allerdings "volksnaher" gestaltet sein. Erste Entwürfe sind abgebildet.

Dienstag, 31. Mai 2011

Nachtrag zu HK IV: Das zu erwartende Bild


Während der arme Panowsky sich für seine ikonografischen Studien noch hunderte Wälzer ansehen musste, kann man heute sogar, ähnlich wie bei Wetterprognosen, eine voraussichtliche Ikonografie betreiben: Die Deutung eines Bildes schlägt sich stets in Windeseile im Netz nieder und bestätigt, manchmal, die eigene Lektüre. Hier ist das zu erwartende Bild, Restultat einer Praxis, die anderenort als "having fun with the Obama meme" beschrieben wurde.

Montag, 30. Mai 2011

Herrscherkörper V: Haiders Unfallstelle



In der Mitte von Klagenfurt, auf dem Heiligenplatz, steht der Lindwurm. Ein Monster, das im Mittelalter ein Moor östlich des von Roy Black besungenen Wörthersees bewohnte. Ihm gegenüber steht ein Herkules, der locker eine stachlige Keule hinter seinem Rücken verbirgt, mit dem er das Vieh totschlagen wird. Mich interessierte auf meinem Kurzaufenthalt in Kärnten doch ein weiteres Denkmal. Im Bus aus Klagenfurt heraus muss ich mir einen dicken Bub anhören, der doch tatsächlich die von mir klammheimlich erwarteten Worte "die san mia so unsympathisch, wann i die sprache nicht versteh" ausspricht, als eine Frau durchaus sehr laut in einer nicht österreichischen Sprache telefoniert. Doch die Mädchen, die mit dem dicken Bub fahren, verteidigen das Opfer seines Angriffes wacker. Nichts da findet der dicke Buam, „sowas gehört ausse“. Nach zehn Minuten Fahrt steige ich in Lambichl aus. Ich hatte mich auf einer längere Suche gefasst gemacht. Doch Jörg Haider ist 2008 nach einer durchzechten Nacht gleich neben der Bushaltestelle in den Tod gerast. Wer erwartet, dass hier nur einige Friedhofskerzen und ein kleines Kreuz mit Foto stehe, kennt die wahre Treue schlecht. Hier steht ein Verkehrsopferdenkmal Deluxe, bzw. drei Verkehrsopferdenkmale, übersät und umstellt von kleineren Botschaften, die dasselbe tun: Alle wollen Haider danken. Die Augen tun einem Weh vor lauter „Danke“. In der Mitte steht dann auch ein Bildstock mit zwei Heiligen und einem Reh drauf. Dieses „Marterl“ wurde vom Hochbauamt Klagenfurt entworfen. Bezahlt wurde es von Spendern wie August Markowitz, einem von Haider ausgezeichneten Fleischfachmann, der u.a. mit seinen „haassen Braunen“, ganz besonderen Würsten, die Region beglückte. In der Mitte der ganzen Anordnung steht eine nicht zu übersehende Aufstelltafel, die auf die „unzähligen Fragen“ eingeht, welche mit Haiders Tod einhergehen würden – Fragen, die es unwahrscheinlich machen, dass sich der Landesvater sturzbetrunken zu Tode gefahren hat. Der Text suggeriert, das vermutlich K.O.Tropfen im Spiel gewesen sind – Haider also letztlich von unbekannten Mächten umgebracht wurde.
Etwas missmutig löste ich meine Augen vom vielen Danken und realisierte, dass ich noch eine Stunde zu warten hatte, bis mich ein Bus zurück in Ingeborg Bachmanns Klagenfurt fahren würde. Wartend – auch Heidegger sagt ja, dass dann immer die besten Sachen passieren – fand ich einen kleinen Weg in ein kleines Tal unterhalb der Unfallstätte, folgte einem Schild „Zur Forellenschenke“. Eigentlich ist Kärnten ein wunderschönes Dreiländereck, die Strasse aus Klagenfurt heraus verzweigt sich nach Haiders Todesstelle, man kann wählen ob man nach Italien oder Slowenien fahren will. In der „Forellenschenke“ reicht einem Traudl thailändischen Rindfleischsalat und die Gäste am Nebentisch sprechen Slowenisch. Ich nehme sicherheitshalber aber doch die Bergsteigernudeln.

Kalter Krieg II: The Atomic Cafe


Wer wissen will, wie die Welt die Bombe lieben lernte, erhält mit dem Film "The Atomic Cafe" einen beeindruckende Einleitung: Zusammengestellt aus Filmmaterial aus den fünfziger brilliert er mit guten Zusammenschnitten, welche die Absurditäten der Nachkriegswelt mit der knallharten Rücksichtslosigkeit des Kalten Krieges konfrontieren. Des Aufstieg der Bombe zum Starlett einer Epoche wird vorgeführt an Bildern von modischen "Atomic Cocktails" und aufgeplatzten Schweinebäuchen. Zugleich verliert sich der Film nicht nur in einer Nostalgie des Grauens, sondern zeigt nachvollziehbar den Weg von Hiroshima zur Blocksituation zweier Atommächte dar. Ein Zusatzsternchen kriegt der Film von mir aber vor allem auch wegen seinem sorgfältig ausgewählten Soundtrack!

Dienstag, 3. Mai 2011

Herrscherkörper IV: Geronimo EKIA

Osama bin Laden war kaum ein Mann, mit dem man Mitleid haben muss. Ob es angebracht ist, dass sich in New York auf Ground Zero Menschen versammeln, um wie nach einem gewonnenen Fussballspiel seine Erschiessung zu bejubeln sei dahingestellt. Dass Staatschefs und –chefinnen, VertreterInnen von der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Gebilden rund um die Welt, darunter u.a. die UNO, sich den öffentlichen Freudenbekundungen rhetorisch anschliessen stimmt jedoch mehr als nachdenklich. Einerseits deswegen, weil hier naiv ein Ende gefeiert wird, dass kaum eines ist: Die Al Quaida ist kein Familienkonzern, sondern vielmehr ein filialenbildendes globalisiertes Unternehmen: CEOs zu erschiessen löst keine grundlegenden Strukturen auf. Weiter, und das wiegt fast schwerer, zeigt diese Verbindung von unverhohlener Freude über die Erschiessung eines Menschen die Verzerrungen des Rechtsempfindens nach 9/11 in ihrer Selbstverständlichkeit auf: Mit dem Ausspruch „Justice has been done“ setzt sich Obama für eine Form von Recht ein, die ausserhalb der regulären Gerichtsbarkeit steht. Für diese Form von Recht stellt Osama bin Ladens gezielte Erschiessung nur einen Höhepunkt dar: Dass die Informationen, die zu Osamas Versteck geführt haben, aus dem Lager Guantanamo kommen sollen, wo Haft ohne Anklage und Folter als legitim erachtet wurden, gehört zu dieser Form von "Feindstrafrecht" , als das es Heribert Prantl bezeichnet. Wofür Osama bin Laden abgesehen von dieser grundlegenden Feindschaft denn genau hingerichtet wurde, ist unklar, seine Drahtzieherfunktion bezüglich 9/11 z.B. ist nicht in dem Sinne bewiesen, wie er es nach einem Gerichtsprozess gewesen wäre.
Vielleicht hat der letzte Präsident George W. Bush von allen Repräsentanten am wahrsten gesprochen, als er meinte, es handle sich bei der Erschiessung von Bin Laden um eine „unmissverständliche Botschaft“ der USA an alle Terroristen. Bush hatte bereits 2001 davon gesprochen, Osama bin Laden wie „out in the west“ „dead or alive“ haben zu wollen und damit Wild-West-Recht das Wort geredet. Dass aus seinem Nachfolger John Wayne werden würde, der "Geronimo"(!!!) niederstrecken würde, war nicht zu erwarten. Obama kommt die Hinrichtung Bin Ladens mehr als gelegen, bezieht er doch aus diesem Erfolg womöglich die nötige Führerstärke um die nächste Wahl zu bestehen. Interessant ist, wie er sich und seinen Kontrahenten inszeniert. Bin Ladens Körper ist bisher unsichtbar, die US-Führung hat bisher darauf verzichtet, seinen toten Körper öffentlich zu zeigen. Der Erschiessung gingen lange Diskussionen voran, wie mit Osama bin Ladens Körper umgegangen werden sollte: Dass man sich, muslimisches Recht zu beachten vorgebend, für eine Seebestattung entschieden hat, um die Leiche so schnell wie möglich jeder Ikonisierung oder Erinnerungskult zu entziehen, war sicher eine taktisch intelligente Entscheidung, auch wenn sie Verschwörungstheorien Vorschub leistet. (So wurde Osama bin Laden bereits in die Gilde Eigentlich-noch-Lebender von Elvis bis Hitler aufgenommen.) Interessant ist, dass Obama zwei Tage nach der Erschiessung jedoch Fotos von sich selbst veröffentlicht, wie er der Entwicklungen hin zur Erschiessung per Live-Übertragung beiwohnt. In der Reihe der Fotos fiel mir vor allem ein Foto auf, dass Obama von hinten vor seinem Beratungsstab zeigt, wie er sich bespricht. Man sieht einen breiten Rücken und seinen Hinterkopf, seine Arme sind leicht ausgebreitet: Hier tritt der starke Mann seinem Feind gegenüber um ihn zu vernichten. Showdown und „Obama 1: Osama 0“.

Mittwoch, 23. März 2011

Die Gaga: Banale Politik

Die Einleitung zu Lady Gagas Clip „Born this Way“ könnte in ihrem Schöpfungspathos von Mathew Barney sein: Gaga-Gaia gebiert das Gute und das Böse, beides wird mit viel Glibber zur Welt gebracht. Auf der einen Seite eine „new race, which bears no prejudice, no judgment, but boundless freedom“ auf der anderen das Böse mit viel Maschinengewehrgeknatter im Ledergewändchen.
Der darauf folgende Song übersetzt dann die Theorie der Gotteskindschaft in Alltagssprache. „Don’t be a drag, be a queen“: Er ermutigt dazu die eigene Identität als selbstverständlich zu akzeptieren, sei man nun bi, gay, transgender, behindert oder libanesisch. Damit schliddert der Clip einerseits hart an der Banalitätsschmerzgrenze entlang - und enttäuscht die theorieaffine Community im Netz eher. Denn hier gibt’s nichts mehr aufzuschlüsseln, das ist nur platt: Aber wird Pop nicht eben genau dann politisch, wenn er es schafft, die Banalitäten apokrypher politischer Forderungen in den Mainstream einzuschleusen? Oder wann hat Britney Spears zum letzten Mal gesagt, dass Transsexuelle schon ok seien?

Freitag, 18. März 2011

Hayeks Graphic Novel


Friedrich von Hayeks „Road to Serfdom“ soll die Lieblingsbettlektüre von Maggie Thatcher gewesen sein. Doch wozu ganze Abende für Hunderte von Seiten verschwenden: Hayeks Klassiker gibt es unlängst auch als Graphic Novel. Nur kurze Zeit nach der Publikation des Originals wurde Hayeks Botschaft mit Cartoons illustriert im Look Magazine 1945 publiziert. Wenig später verteilte es General Motors (die Autofirma, die der Staat letzthin...ja genau) als Informationsbroschüre. In wenigen Bildern und Sätzen wird im dünnen Bändchen erläutert, warum jede Form von staatlicher Wirtschaftsplanung immer sofort zu faschistischen Führerstaaten führt, in denen Uniformierte deine Golfschläger kaputtmachen und dich zur Gymnastik zwingen.
Über die damalige Verteilung der Broschüre konnte ich leider wenig herausfinden. Doch die verknappte Botschaft Hayeks hallt noch immer nach, der Cartoon führt ein unheimliches Leben auf den Homepages amerikanischer „Liberaler“. Die Tea-Party wurde letzthin in der „Süddeutschen Zeitung“ „Süddeutschen Zeitung“ nicht zu Unrecht als die „wilden Schüler Hayeks“ beschrieben. Dass man Obama auf Grund seiner Gesundheitsreform regelmäßig mit Hitler vergleicht, findet seine krude Logik in einem Pop-Neoliberalismus wie es jene Bändchen von Hayek verbreitet, indem es jeden staatlichen Eingriff als Vorstufe zur grossen Übernahme darstellt.

Montag, 7. März 2011

Tiere II: Spekulative Zoologie


Spätestens mit der Ökobewegung am Ende des 20. Jahrhundert hat sich die Geschichte der Erlösung verändert: Das nur tierisch bewohnte Paradies war nicht mehr nur ein prä- sondern vor allem auch ein posthumaner Zustand. Der Mensch erschien als Parasit,, der seine eigene Existenzgrundlage gekonnt zerstörte. Doch, so die letzte Hoffnung, es sollte ihm nicht gelingen, „die Natur“ an sich und ihre eigene Geschichte aufzuhalten. Die menschliche Apokalypse sollte eine Befreiung der Natur sein. In „28 days later“, einem Zombiefilm in dem die Seuche „Wut“ die ganze Menschheit befällt, meint ein Tierbefreiungsaktivist: „Humans only have been arround for a few blinks of an eye. So if the infection wipes us all out, that is a return to normality.“ Die kommende Selbstauslöschung der Menschheit wird als eine Rückkehr zur Normalität, einem Wiedereintritt der Erde in den richtigen Verlauf der Natur-Geschichte beschrieben: Das kommende Reich findet ohne die Menschheit statt.
Die wohl witzigste Antwort auf dieses stark von Selbsthass getragene Wunschszenario findet sich meiner Ansicht nach bei den spekulativen Evolutionsbiologen. Die ersehnte bedrohliche Rückkehr der Erde zur evolutionären „Normalität“ eröffnet ihnen einen sehr menschlichen Imaginationsraum. Sie sind getrieben von der Frage, wie sich die Fauna unseres Planeten verändern wird, wenn man sie wieder sich selbst überlässt.
Was die Herren Wissenschaftler sich dabei ausmalen, lässt die Mutationsphantasien des Kalten Krieges wie lahme Gute-Nacht-Geschichten aussehen. So präsentierte Dougal Dixon 1981 mit „After Man. A Zoology of the future“ ein wunderbares Buch, in dem die Innovationskraft der Natur gefeiert wird. Unverhohlen wird hier das Ende der Menschheit als Befreiung der biologischen Formen gefeiert und dargestellt. In der BBC-Dokufiction-Produktion "The future is wild" von 2003 führen Dougal und andere Wissenschaftler dieses Projekt mit den Techniken des Animationsfilms weiter: Imaginiert wird eine Welt in der kommende klimatische und tektonische Veränderungen eine ganz neue Tierwelt hervorbringen. Die erstarrten Artentabellen der Biologie verwandeln sich in einen darwinistischen Zeichentrickfilm, überall herrscht munteres Werden und Wachsen. Verzückte Wissenschaftler mit Fliege erzählen darüber, wie Tierarten im Verlauf der Jahrmillionen alte Körpereigenschaften „aufgeben“ und neue „entwickeln“: Es scheint, als würden tierische Körper fröhlich Glieder ein- und ausstülpen lassen, je nach dem, welchen Anforderungen sie gerade ausgeliefert sind. Natürlich liesse sich diese bunte Erzählung vom agilen Paradies einerseits als Fabel über die gewünschte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt lesen, doch das lassen wir jetzt mal, dafür ist es einfach zu toll anzusehen!

Freitag, 4. März 2011

Tiere I: Apkalyptische Ameisen

Es gibt ein sich stets wiederkehrende Denk- und Darstellungsmuster, das ich die „Hoffnung der Kleinen“ nennen möchte. Nietzsche hat in die „Genealogie der Moral“ ausreichend darüber geschrieben. Die schwachen Unterdrückten finden ihren Sieg, in dem sie den selbstverschuldeten Niedergang der grossen Bösen schlicht überleben. Diese Konstellation lässt sich sowohl im Film „Quo vadis“ wiederfinden, wo die verfolgten Christen in ihren Katakomben letztlich nur händereibend auf den Zerfall des Römischen Reichs warten. Oder in allen guten Kinderbüchern über Dinosaurier: Die kleinen Säugetiere, mäuseähnliche Viecher sehen im Verborgenen zu, wie die grossen, und seien wir ehrlich: dekadenten Dinosaurier im Meteorengewitter ihren gerechten Tod sterben und der neunmalkluge Dreikäsehoch, der das Bild betrachtet, weiss: Sie, die Ratten, werden überleben, gerade weil sie nicht gross und stark sind.
Zugleich erinnere ich mich, dass ich damals in den 1980er Jahren gewusst habe, dass im Falle eines Atomkrieges nur Insekten überleben würden: Die kahle, graue Erde würde nur noch bekrabbelt werden, die nächste Zivilisation würde die der Insekten sein. Im Katastrophenfilm "The day after" von 1983, der das Szenario eines H-Bombenabwurf über den USA durchspielt, werden Kakerlakenstatisten von einem der Hauptdarsteller zynisch als die nächsten Herrscher der Erde begrüsst.
Zurück geht diese Ernennung der Insekten zu den Königen von Doomsday auf Strahlentests, die man bald nach Hiroshima mit so ziemlich ALLEM angestellt hatte. Dabei zeigte sich, das eben Küchenschaben extrem viel Strahlung vertrugen. Ausgewiesene Myrmekologen machen allerdings drauf aufmerksam, dass das für Ameisen nicht zutrifft. Trotzdem war die strahlenmedizische Annahme weit verbreitet, die Ameisen würden die post-humanoide Herrschaft antreten: Als staatenbildende Wesen fungierten sie, wie die Bienen, der menschlichen Imagination schon vor 1945 als Spiegel und zivilisatorisches Äquivalent (vgl. Rieger/Bühler: Das Über-Tier) der Menschheit. So fürchten sich die Myrmekologen im Horrorfilm „Them!“ von 1954 vor einer Versklavung der Menschheit durch zu Einfamilienhausgrösse mutierten Ameisen. Und die „Flintstones“-Macher zeigen mit
„Atom-Ant“ 1967/68 eine Ameise, die durch Bestrahlung extrem stark geworden ist. Das Kleine ist das, was folgen wird auf die selbstverschuldete Vernichtung: Im Song "Das Insekt" der deutschen New Wave-Band „Der Plan“ wird dieses kollektive Wissen noch einmal mehr überhöht endgültig zur messianischen Hymne:

Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt?
Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?
Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

Wer macht das Paradies auf Erden perfekt?
Wer macht das Paradies auf Erden perfekt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!