Mittwoch, 23. März 2011

Die Gaga: Banale Politik

Die Einleitung zu Lady Gagas Clip „Born this Way“ könnte in ihrem Schöpfungspathos von Mathew Barney sein: Gaga-Gaia gebiert das Gute und das Böse, beides wird mit viel Glibber zur Welt gebracht. Auf der einen Seite eine „new race, which bears no prejudice, no judgment, but boundless freedom“ auf der anderen das Böse mit viel Maschinengewehrgeknatter im Ledergewändchen.
Der darauf folgende Song übersetzt dann die Theorie der Gotteskindschaft in Alltagssprache. „Don’t be a drag, be a queen“: Er ermutigt dazu die eigene Identität als selbstverständlich zu akzeptieren, sei man nun bi, gay, transgender, behindert oder libanesisch. Damit schliddert der Clip einerseits hart an der Banalitätsschmerzgrenze entlang - und enttäuscht die theorieaffine Community im Netz eher. Denn hier gibt’s nichts mehr aufzuschlüsseln, das ist nur platt: Aber wird Pop nicht eben genau dann politisch, wenn er es schafft, die Banalitäten apokrypher politischer Forderungen in den Mainstream einzuschleusen? Oder wann hat Britney Spears zum letzten Mal gesagt, dass Transsexuelle schon ok seien?

Freitag, 18. März 2011

Hayeks Graphic Novel


Friedrich von Hayeks „Road to Serfdom“ soll die Lieblingsbettlektüre von Maggie Thatcher gewesen sein. Doch wozu ganze Abende für Hunderte von Seiten verschwenden: Hayeks Klassiker gibt es unlängst auch als Graphic Novel. Nur kurze Zeit nach der Publikation des Originals wurde Hayeks Botschaft mit Cartoons illustriert im Look Magazine 1945 publiziert. Wenig später verteilte es General Motors (die Autofirma, die der Staat letzthin...ja genau) als Informationsbroschüre. In wenigen Bildern und Sätzen wird im dünnen Bändchen erläutert, warum jede Form von staatlicher Wirtschaftsplanung immer sofort zu faschistischen Führerstaaten führt, in denen Uniformierte deine Golfschläger kaputtmachen und dich zur Gymnastik zwingen.
Über die damalige Verteilung der Broschüre konnte ich leider wenig herausfinden. Doch die verknappte Botschaft Hayeks hallt noch immer nach, der Cartoon führt ein unheimliches Leben auf den Homepages amerikanischer „Liberaler“. Die Tea-Party wurde letzthin in der „Süddeutschen Zeitung“ „Süddeutschen Zeitung“ nicht zu Unrecht als die „wilden Schüler Hayeks“ beschrieben. Dass man Obama auf Grund seiner Gesundheitsreform regelmäßig mit Hitler vergleicht, findet seine krude Logik in einem Pop-Neoliberalismus wie es jene Bändchen von Hayek verbreitet, indem es jeden staatlichen Eingriff als Vorstufe zur grossen Übernahme darstellt.

Montag, 7. März 2011

Tiere II: Spekulative Zoologie


Spätestens mit der Ökobewegung am Ende des 20. Jahrhundert hat sich die Geschichte der Erlösung verändert: Das nur tierisch bewohnte Paradies war nicht mehr nur ein prä- sondern vor allem auch ein posthumaner Zustand. Der Mensch erschien als Parasit,, der seine eigene Existenzgrundlage gekonnt zerstörte. Doch, so die letzte Hoffnung, es sollte ihm nicht gelingen, „die Natur“ an sich und ihre eigene Geschichte aufzuhalten. Die menschliche Apokalypse sollte eine Befreiung der Natur sein. In „28 days later“, einem Zombiefilm in dem die Seuche „Wut“ die ganze Menschheit befällt, meint ein Tierbefreiungsaktivist: „Humans only have been arround for a few blinks of an eye. So if the infection wipes us all out, that is a return to normality.“ Die kommende Selbstauslöschung der Menschheit wird als eine Rückkehr zur Normalität, einem Wiedereintritt der Erde in den richtigen Verlauf der Natur-Geschichte beschrieben: Das kommende Reich findet ohne die Menschheit statt.
Die wohl witzigste Antwort auf dieses stark von Selbsthass getragene Wunschszenario findet sich meiner Ansicht nach bei den spekulativen Evolutionsbiologen. Die ersehnte bedrohliche Rückkehr der Erde zur evolutionären „Normalität“ eröffnet ihnen einen sehr menschlichen Imaginationsraum. Sie sind getrieben von der Frage, wie sich die Fauna unseres Planeten verändern wird, wenn man sie wieder sich selbst überlässt.
Was die Herren Wissenschaftler sich dabei ausmalen, lässt die Mutationsphantasien des Kalten Krieges wie lahme Gute-Nacht-Geschichten aussehen. So präsentierte Dougal Dixon 1981 mit „After Man. A Zoology of the future“ ein wunderbares Buch, in dem die Innovationskraft der Natur gefeiert wird. Unverhohlen wird hier das Ende der Menschheit als Befreiung der biologischen Formen gefeiert und dargestellt. In der BBC-Dokufiction-Produktion "The future is wild" von 2003 führen Dougal und andere Wissenschaftler dieses Projekt mit den Techniken des Animationsfilms weiter: Imaginiert wird eine Welt in der kommende klimatische und tektonische Veränderungen eine ganz neue Tierwelt hervorbringen. Die erstarrten Artentabellen der Biologie verwandeln sich in einen darwinistischen Zeichentrickfilm, überall herrscht munteres Werden und Wachsen. Verzückte Wissenschaftler mit Fliege erzählen darüber, wie Tierarten im Verlauf der Jahrmillionen alte Körpereigenschaften „aufgeben“ und neue „entwickeln“: Es scheint, als würden tierische Körper fröhlich Glieder ein- und ausstülpen lassen, je nach dem, welchen Anforderungen sie gerade ausgeliefert sind. Natürlich liesse sich diese bunte Erzählung vom agilen Paradies einerseits als Fabel über die gewünschte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt lesen, doch das lassen wir jetzt mal, dafür ist es einfach zu toll anzusehen!

Freitag, 4. März 2011

Tiere I: Apkalyptische Ameisen

Es gibt ein sich stets wiederkehrende Denk- und Darstellungsmuster, das ich die „Hoffnung der Kleinen“ nennen möchte. Nietzsche hat in die „Genealogie der Moral“ ausreichend darüber geschrieben. Die schwachen Unterdrückten finden ihren Sieg, in dem sie den selbstverschuldeten Niedergang der grossen Bösen schlicht überleben. Diese Konstellation lässt sich sowohl im Film „Quo vadis“ wiederfinden, wo die verfolgten Christen in ihren Katakomben letztlich nur händereibend auf den Zerfall des Römischen Reichs warten. Oder in allen guten Kinderbüchern über Dinosaurier: Die kleinen Säugetiere, mäuseähnliche Viecher sehen im Verborgenen zu, wie die grossen, und seien wir ehrlich: dekadenten Dinosaurier im Meteorengewitter ihren gerechten Tod sterben und der neunmalkluge Dreikäsehoch, der das Bild betrachtet, weiss: Sie, die Ratten, werden überleben, gerade weil sie nicht gross und stark sind.
Zugleich erinnere ich mich, dass ich damals in den 1980er Jahren gewusst habe, dass im Falle eines Atomkrieges nur Insekten überleben würden: Die kahle, graue Erde würde nur noch bekrabbelt werden, die nächste Zivilisation würde die der Insekten sein. Im Katastrophenfilm "The day after" von 1983, der das Szenario eines H-Bombenabwurf über den USA durchspielt, werden Kakerlakenstatisten von einem der Hauptdarsteller zynisch als die nächsten Herrscher der Erde begrüsst.
Zurück geht diese Ernennung der Insekten zu den Königen von Doomsday auf Strahlentests, die man bald nach Hiroshima mit so ziemlich ALLEM angestellt hatte. Dabei zeigte sich, das eben Küchenschaben extrem viel Strahlung vertrugen. Ausgewiesene Myrmekologen machen allerdings drauf aufmerksam, dass das für Ameisen nicht zutrifft. Trotzdem war die strahlenmedizische Annahme weit verbreitet, die Ameisen würden die post-humanoide Herrschaft antreten: Als staatenbildende Wesen fungierten sie, wie die Bienen, der menschlichen Imagination schon vor 1945 als Spiegel und zivilisatorisches Äquivalent (vgl. Rieger/Bühler: Das Über-Tier) der Menschheit. So fürchten sich die Myrmekologen im Horrorfilm „Them!“ von 1954 vor einer Versklavung der Menschheit durch zu Einfamilienhausgrösse mutierten Ameisen. Und die „Flintstones“-Macher zeigen mit
„Atom-Ant“ 1967/68 eine Ameise, die durch Bestrahlung extrem stark geworden ist. Das Kleine ist das, was folgen wird auf die selbstverschuldete Vernichtung: Im Song "Das Insekt" der deutschen New Wave-Band „Der Plan“ wird dieses kollektive Wissen noch einmal mehr überhöht endgültig zur messianischen Hymne:

Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt?
Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?
Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

Wer macht das Paradies auf Erden perfekt?
Wer macht das Paradies auf Erden perfekt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!