Freitag, 16. April 2010

James Camerons "Tsyhalu“: Absage an die zeichenhafte Kommunikation




In der Öffentlichen Rezeption wird „Avatar“ grösstenteils als umweltschützerisches, anti-koloniales Märchen wahrgenommen. Das will der Film des Bäumepflanzers James Cameron mit seinen überdeutlichen Verweisen auf die durch Profitsucht verwüsteten Urwaldregionen der Erde auch ganz offensichtlich sein. Doch der Film transportiert auch äusserst problematische Inhalte. Unter anderem hat sich Slavoj Zizek in einem auch für seine Verhältnisse etwas gar abschweifenden Rezension im „New Statesman“ auch zur dominant rassistisch und kulturimperialistischen Komponente des Film geäussert. Die Tatsache, dass der invalide Soldatenmessias GI Jake Sully den antikolonialen Aufstand anführt, und dass erst das biodigital eingespeiste Wissen einer amerikanischen Biologin Mutter Natur auf die Sprünge hilft, den Sieg zu erringen, grenzt an Anmassung. Und dass die meisten Na’vi-Darsteller von Schwarzen gespielt werden und die blauen Riesen auch Basketballspielend dargestellt werden, verweist auf Stereotype, die selbstverständlich rassistisch sind.
Ich möchte auf eine weitere Problematik aufmerksam machen, die sich in der Form, wie die Naturverbundenheit der Na’vi dargestellt wird, zeigt: In der Absage an die Möglichkeiten der zeichenhaften Kommunikation. Selbst der „Edle Wilde“, wird in der positiv-rassistischen glorifzierenden Tradition als semiotisch agierendes Wesen dargestellt, der Teil der Natur ist, mit ihr letztlich aber doch Deutung verbunden ist. Der Edle Wilde vermag die Zeichen der Natur, die ihm doch äusserlich ist, zu verstehen, er kann Fährten lesen, er kann vielleicht sogar mit den Tieren sprechen, er kann Pferde mit Flüstern und feinsten Bewegungen lenken. Selbst wenn der Indianer keinen Sattel und Saumzeug braucht, so leitet er sein Pferd doch nicht per Telekinese zum Silbersee. Das wesentliche ist, obschon der Edle Wilde dargestellt wird, als ob er eins sei mit der Natur, vermag die Zeichnung als instinktives Wesen doch nicht die anthropologische Notwendigkeit der Zeichenverwendung und Interpretation aus den Erzählungen verdrängen. In „Avatar“ wird diese Interpretation der Natur, dieses kurze Verzögerungsmoment zwischen Natur und Mensch, in dem sie sich in ihrer Fremdheit begegnen, vollkommen aufgelöst. Sinnbild dieser Auflösung jeder Unterbrechung einer direkten, nicht mehr zeichenhaften Kommunikation ist das Tsyhalu. Das Tsyhalu ist eine Schnittstelle, über die alle Na’vi biologisch verfügen, ein einem Haarzopf ähnliches Kabel, über das sie sich z.B. mit ihren Reittieren direkt verbinden können. Nicht über Befehle werden die Tiere gelenkt, sondern neuroelektronische Plug-in-Technologie ermöglicht eine unmittelbare, medienfreie Verbindung mit dem Tier. Einerseits lässt sich darin der Traum einer gewaltlosen Naturaneignung verbildlicht sehen. Zugleich aber ist diese Glorifizierung zeichenloser Kommunikationsformen auch ein ideologisches Kernthema, das den Film durchzieht.

Denn Kommunikation zwischen verschiedenartigen Wesen funktioniert nicht einfach besser durch diese direkte biologische Verbindung, sie funktioniert letztlich NUR dadurch. Das zeigt sich am deutlichsten gerade im Grundplot: Wissenschaftler versuchen mit den „Eingeborenen“ in Kontakt zu treten, mit ihnen zu kommunizieren. Das gelingt jedoch nur in dem sie Avatare, sprich: geklonte Na’vi-Körper benutzen. Erst durch die biologische Gleichartigkeit wird Kommunikation und Freundschaft möglich. Wo sich andere Filme bemühen, genau diesen Konflikt der Konfrontation von zwei Andersartigkeiten und ihre Annäherung zu beschreiben, treibt „Avatar“ die Methode der ethnologischen „teilnehmenden Beobachtung“ in die biologistische Absurdität: Zwar wird der GI Jake Sully in die Riten und Gebräuche der Na’vi eingeführt, Grundlage dafür ist jedoch seine biologische Gleichheit. Dieser Aufhebung jeglicher auch mythischen Zeichenhaftigkeit folgt auch die mythische Landschaft, wie sie Cameron zeichnet: So ist der Ahnenkult nicht teil von Ritualen, von schamanistischen Prozeduren des Erkennens in der Natur, sondern der Draht zu den Ahnen kann direkt über Seelenbäume hergestellt werden, die wie Anrufbeantworter aus der Vergangenheit abgehört werden können. Auch die Naturgöttin Eywa wird als immanentes Wesen gedacht, sie ist nicht eine mythische Überhöhung des Ökosystems, ein personalisiertes Wesen, sondern das Ökosystem selbst.

Vor diesem Hintergrund hinterlässt der anti-koloniale Sieg am Ende einen schal-reaktionären Nachgeschmack auf der 3-D-Brille: Denn der kriegerische Kampf der die wenigen spannenden Teile des Films prägt, stellt letztlich die einzige Alternative zur vollkommenen, bis in die biologische Substanz gehende Assimiliation dar. Insofern lässt sich „Avatar“ auch nicht nur als utopisches (und offen gestanden: reichlich altbackenes) Märchen über die Befreiung naturaffiner Urbevölkerungen vor dem kapitalistisch-westlichen Raubbau verstehen, als Votum für mehr Umweltschutz, sondern vor allem auch als pessimistisches Szenario für jegliche interkulturelle Kommunikation: Respekt vor und Verständigung mit dem Anderen kann nur dann möglich sein, wenn man auch bereit ist, kein Anderer mehr zu sein.

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