Donnerstag, 8. Juli 2010

Herrscherkörper III: Klement Gottwalds Verwesungstheater

Auf dem Prager Veitsberg stapelt sich die Geschichte Tschechiens: Dominant präsentiert sich hier zunächst die imposante Reiterstatue des husitischen Katholikenzerschmetterer Žižkas. 1877 wurde der Plan gefasst, ihm ein Denkmal zu setzen. Die k.u.k. Bürokraten zierten sich und so konnte diese Idee erst nach dem Zerfall des österreichischen Vielvölkerstaates in Angriff genommen werden. So legte der erste tschechoslowakische Staatspräsident, Jan Masaryk, den Grundstein erst 1928 für einen Bau, der nun auch eine Gedenkstätte für die Helden des Ersten Weltkrieg werden sollte. Richtig gefeiert werden mochte die Fertigstellung 1938 dann aber auch nicht, hatte doch Hitlers Deutschland gerade tschechoslowakische Gebiete „zurückerhalten“. Ab 1939 wurden in den Hallen, neben den Gebeinen der tschechoslovakischen Helden dann auch vor allen Wehrmachtshemden- und Hosen gelagert. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollten nun auch die Helden des Zweiten Weltkriegs, insbesondere auch sowjetische Soldaten, in den Hallen ihre letzte ehrenvolle Ruhe finden. Als dann 1953 der erste sozialistische Staatspräsident der ČSSR, Klement Gottwald starb, sollte auch er, irgendwie auch Held, darin niedergelegt werden. Doch nicht irgendwie. Mit der Einbalsamierung Lenins hatte Stalin einen neuen Meilenstein in der Herrschaftsrepräsentation gelegt: Auch Gottwald sollte balsamiert werden. In Moskau war, zur Pflege von Lenins Leiche, ein Einbalsamierungsinstitut eingerichter worden, dessen Mitarbeiter nun Herscherleichen in der ganzen zweiten Welt für die Ewigkeit präparierten – oder eben nicht. Denn interessant ist Gottwalds Verwesungsprozess.

Noch immer kann man im Vitkov.Gebäude den imposanten Menschenkühlschrank und seine Regulaturen bewundern – der Lift, mit dem Gottwald jeweils aus dem Keller in die Halle hoch zur Sichtbarkeit getragen wurde, ist leer. Gottwalds Leiche ist nicht mehr zu sehen. Als Reaktion auf die Entstalinisierung, wenige Jahre vor der Sprengung des imposanten Stalinmonuments in Prag, war Gottwalds Körper von der Kommunistischen Partei der CSSR 1962 verbrannt und bestattet worden.

Weitverbreitete Gerüchte lassen hinter dieser Entfernung nicht nur politische Gründe vermuten, sie besagen nämlich nicht nur, dass Gottwald an einer Lungenentzündung gestorben sei, die er an Stalins , dass es nicht nur die politische lage gewesen sei, die zu diesem schritt gez Beerdigung davon getragen habe, sondern auch dass die Einbalsamierung seines Körpers nicht so erfolgreich gewesen sei, wie jene Lenins. Das habe nicht an der Inkompetenz des Moskauer Einbalsamierungsteams gelegen, sondern an Gottwalds schlechter körperlicher Vorlage: Vom Alkohol und der Syphilis zerfressen, war der Körper ungeeignet zur ewigen Haltbarkeit. Die Haut löste sich auf, die Beine mussten amputiert und mit Holz ersetzt werden, bis alles nichts mehr half und man ihn, vorgeblich aus politischen Gründen, gänzlich entsorgen musste. Es scheint, als habe Gottwalds sterbender und toter Körper die Entstalinisierung in einem Theater der Krankheit und der Verwesung bereits vorweggenommen.

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