Montag, 30. Mai 2011

Herrscherkörper V: Haiders Unfallstelle



In der Mitte von Klagenfurt, auf dem Heiligenplatz, steht der Lindwurm. Ein Monster, das im Mittelalter ein Moor östlich des von Roy Black besungenen Wörthersees bewohnte. Ihm gegenüber steht ein Herkules, der locker eine stachlige Keule hinter seinem Rücken verbirgt, mit dem er das Vieh totschlagen wird. Mich interessierte auf meinem Kurzaufenthalt in Kärnten doch ein weiteres Denkmal. Im Bus aus Klagenfurt heraus muss ich mir einen dicken Bub anhören, der doch tatsächlich die von mir klammheimlich erwarteten Worte "die san mia so unsympathisch, wann i die sprache nicht versteh" ausspricht, als eine Frau durchaus sehr laut in einer nicht österreichischen Sprache telefoniert. Doch die Mädchen, die mit dem dicken Bub fahren, verteidigen das Opfer seines Angriffes wacker. Nichts da findet der dicke Buam, „sowas gehört ausse“. Nach zehn Minuten Fahrt steige ich in Lambichl aus. Ich hatte mich auf einer längere Suche gefasst gemacht. Doch Jörg Haider ist 2008 nach einer durchzechten Nacht gleich neben der Bushaltestelle in den Tod gerast. Wer erwartet, dass hier nur einige Friedhofskerzen und ein kleines Kreuz mit Foto stehe, kennt die wahre Treue schlecht. Hier steht ein Verkehrsopferdenkmal Deluxe, bzw. drei Verkehrsopferdenkmale, übersät und umstellt von kleineren Botschaften, die dasselbe tun: Alle wollen Haider danken. Die Augen tun einem Weh vor lauter „Danke“. In der Mitte steht dann auch ein Bildstock mit zwei Heiligen und einem Reh drauf. Dieses „Marterl“ wurde vom Hochbauamt Klagenfurt entworfen. Bezahlt wurde es von Spendern wie August Markowitz, einem von Haider ausgezeichneten Fleischfachmann, der u.a. mit seinen „haassen Braunen“, ganz besonderen Würsten, die Region beglückte. In der Mitte der ganzen Anordnung steht eine nicht zu übersehende Aufstelltafel, die auf die „unzähligen Fragen“ eingeht, welche mit Haiders Tod einhergehen würden – Fragen, die es unwahrscheinlich machen, dass sich der Landesvater sturzbetrunken zu Tode gefahren hat. Der Text suggeriert, das vermutlich K.O.Tropfen im Spiel gewesen sind – Haider also letztlich von unbekannten Mächten umgebracht wurde.
Etwas missmutig löste ich meine Augen vom vielen Danken und realisierte, dass ich noch eine Stunde zu warten hatte, bis mich ein Bus zurück in Ingeborg Bachmanns Klagenfurt fahren würde. Wartend – auch Heidegger sagt ja, dass dann immer die besten Sachen passieren – fand ich einen kleinen Weg in ein kleines Tal unterhalb der Unfallstätte, folgte einem Schild „Zur Forellenschenke“. Eigentlich ist Kärnten ein wunderschönes Dreiländereck, die Strasse aus Klagenfurt heraus verzweigt sich nach Haiders Todesstelle, man kann wählen ob man nach Italien oder Slowenien fahren will. In der „Forellenschenke“ reicht einem Traudl thailändischen Rindfleischsalat und die Gäste am Nebentisch sprechen Slowenisch. Ich nehme sicherheitshalber aber doch die Bergsteigernudeln.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen