Dienstag, 3. Mai 2011

Herrscherkörper IV: Geronimo EKIA

Osama bin Laden war kaum ein Mann, mit dem man Mitleid haben muss. Ob es angebracht ist, dass sich in New York auf Ground Zero Menschen versammeln, um wie nach einem gewonnenen Fussballspiel seine Erschiessung zu bejubeln sei dahingestellt. Dass Staatschefs und –chefinnen, VertreterInnen von der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Gebilden rund um die Welt, darunter u.a. die UNO, sich den öffentlichen Freudenbekundungen rhetorisch anschliessen stimmt jedoch mehr als nachdenklich. Einerseits deswegen, weil hier naiv ein Ende gefeiert wird, dass kaum eines ist: Die Al Quaida ist kein Familienkonzern, sondern vielmehr ein filialenbildendes globalisiertes Unternehmen: CEOs zu erschiessen löst keine grundlegenden Strukturen auf. Weiter, und das wiegt fast schwerer, zeigt diese Verbindung von unverhohlener Freude über die Erschiessung eines Menschen die Verzerrungen des Rechtsempfindens nach 9/11 in ihrer Selbstverständlichkeit auf: Mit dem Ausspruch „Justice has been done“ setzt sich Obama für eine Form von Recht ein, die ausserhalb der regulären Gerichtsbarkeit steht. Für diese Form von Recht stellt Osama bin Ladens gezielte Erschiessung nur einen Höhepunkt dar: Dass die Informationen, die zu Osamas Versteck geführt haben, aus dem Lager Guantanamo kommen sollen, wo Haft ohne Anklage und Folter als legitim erachtet wurden, gehört zu dieser Form von "Feindstrafrecht" , als das es Heribert Prantl bezeichnet. Wofür Osama bin Laden abgesehen von dieser grundlegenden Feindschaft denn genau hingerichtet wurde, ist unklar, seine Drahtzieherfunktion bezüglich 9/11 z.B. ist nicht in dem Sinne bewiesen, wie er es nach einem Gerichtsprozess gewesen wäre.
Vielleicht hat der letzte Präsident George W. Bush von allen Repräsentanten am wahrsten gesprochen, als er meinte, es handle sich bei der Erschiessung von Bin Laden um eine „unmissverständliche Botschaft“ der USA an alle Terroristen. Bush hatte bereits 2001 davon gesprochen, Osama bin Laden wie „out in the west“ „dead or alive“ haben zu wollen und damit Wild-West-Recht das Wort geredet. Dass aus seinem Nachfolger John Wayne werden würde, der "Geronimo"(!!!) niederstrecken würde, war nicht zu erwarten. Obama kommt die Hinrichtung Bin Ladens mehr als gelegen, bezieht er doch aus diesem Erfolg womöglich die nötige Führerstärke um die nächste Wahl zu bestehen. Interessant ist, wie er sich und seinen Kontrahenten inszeniert. Bin Ladens Körper ist bisher unsichtbar, die US-Führung hat bisher darauf verzichtet, seinen toten Körper öffentlich zu zeigen. Der Erschiessung gingen lange Diskussionen voran, wie mit Osama bin Ladens Körper umgegangen werden sollte: Dass man sich, muslimisches Recht zu beachten vorgebend, für eine Seebestattung entschieden hat, um die Leiche so schnell wie möglich jeder Ikonisierung oder Erinnerungskult zu entziehen, war sicher eine taktisch intelligente Entscheidung, auch wenn sie Verschwörungstheorien Vorschub leistet. (So wurde Osama bin Laden bereits in die Gilde Eigentlich-noch-Lebender von Elvis bis Hitler aufgenommen.) Interessant ist, dass Obama zwei Tage nach der Erschiessung jedoch Fotos von sich selbst veröffentlicht, wie er der Entwicklungen hin zur Erschiessung per Live-Übertragung beiwohnt. In der Reihe der Fotos fiel mir vor allem ein Foto auf, dass Obama von hinten vor seinem Beratungsstab zeigt, wie er sich bespricht. Man sieht einen breiten Rücken und seinen Hinterkopf, seine Arme sind leicht ausgebreitet: Hier tritt der starke Mann seinem Feind gegenüber um ihn zu vernichten. Showdown und „Obama 1: Osama 0“.

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