Montag, 7. März 2011

Tiere II: Spekulative Zoologie


Spätestens mit der Ökobewegung am Ende des 20. Jahrhundert hat sich die Geschichte der Erlösung verändert: Das nur tierisch bewohnte Paradies war nicht mehr nur ein prä- sondern vor allem auch ein posthumaner Zustand. Der Mensch erschien als Parasit,, der seine eigene Existenzgrundlage gekonnt zerstörte. Doch, so die letzte Hoffnung, es sollte ihm nicht gelingen, „die Natur“ an sich und ihre eigene Geschichte aufzuhalten. Die menschliche Apokalypse sollte eine Befreiung der Natur sein. In „28 days later“, einem Zombiefilm in dem die Seuche „Wut“ die ganze Menschheit befällt, meint ein Tierbefreiungsaktivist: „Humans only have been arround for a few blinks of an eye. So if the infection wipes us all out, that is a return to normality.“ Die kommende Selbstauslöschung der Menschheit wird als eine Rückkehr zur Normalität, einem Wiedereintritt der Erde in den richtigen Verlauf der Natur-Geschichte beschrieben: Das kommende Reich findet ohne die Menschheit statt.
Die wohl witzigste Antwort auf dieses stark von Selbsthass getragene Wunschszenario findet sich meiner Ansicht nach bei den spekulativen Evolutionsbiologen. Die ersehnte bedrohliche Rückkehr der Erde zur evolutionären „Normalität“ eröffnet ihnen einen sehr menschlichen Imaginationsraum. Sie sind getrieben von der Frage, wie sich die Fauna unseres Planeten verändern wird, wenn man sie wieder sich selbst überlässt.
Was die Herren Wissenschaftler sich dabei ausmalen, lässt die Mutationsphantasien des Kalten Krieges wie lahme Gute-Nacht-Geschichten aussehen. So präsentierte Dougal Dixon 1981 mit „After Man. A Zoology of the future“ ein wunderbares Buch, in dem die Innovationskraft der Natur gefeiert wird. Unverhohlen wird hier das Ende der Menschheit als Befreiung der biologischen Formen gefeiert und dargestellt. In der BBC-Dokufiction-Produktion "The future is wild" von 2003 führen Dougal und andere Wissenschaftler dieses Projekt mit den Techniken des Animationsfilms weiter: Imaginiert wird eine Welt in der kommende klimatische und tektonische Veränderungen eine ganz neue Tierwelt hervorbringen. Die erstarrten Artentabellen der Biologie verwandeln sich in einen darwinistischen Zeichentrickfilm, überall herrscht munteres Werden und Wachsen. Verzückte Wissenschaftler mit Fliege erzählen darüber, wie Tierarten im Verlauf der Jahrmillionen alte Körpereigenschaften „aufgeben“ und neue „entwickeln“: Es scheint, als würden tierische Körper fröhlich Glieder ein- und ausstülpen lassen, je nach dem, welchen Anforderungen sie gerade ausgeliefert sind. Natürlich liesse sich diese bunte Erzählung vom agilen Paradies einerseits als Fabel über die gewünschte Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt lesen, doch das lassen wir jetzt mal, dafür ist es einfach zu toll anzusehen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen