Freitag, 4. März 2011

Tiere I: Apkalyptische Ameisen

Es gibt ein sich stets wiederkehrende Denk- und Darstellungsmuster, das ich die „Hoffnung der Kleinen“ nennen möchte. Nietzsche hat in die „Genealogie der Moral“ ausreichend darüber geschrieben. Die schwachen Unterdrückten finden ihren Sieg, in dem sie den selbstverschuldeten Niedergang der grossen Bösen schlicht überleben. Diese Konstellation lässt sich sowohl im Film „Quo vadis“ wiederfinden, wo die verfolgten Christen in ihren Katakomben letztlich nur händereibend auf den Zerfall des Römischen Reichs warten. Oder in allen guten Kinderbüchern über Dinosaurier: Die kleinen Säugetiere, mäuseähnliche Viecher sehen im Verborgenen zu, wie die grossen, und seien wir ehrlich: dekadenten Dinosaurier im Meteorengewitter ihren gerechten Tod sterben und der neunmalkluge Dreikäsehoch, der das Bild betrachtet, weiss: Sie, die Ratten, werden überleben, gerade weil sie nicht gross und stark sind.
Zugleich erinnere ich mich, dass ich damals in den 1980er Jahren gewusst habe, dass im Falle eines Atomkrieges nur Insekten überleben würden: Die kahle, graue Erde würde nur noch bekrabbelt werden, die nächste Zivilisation würde die der Insekten sein. Im Katastrophenfilm "The day after" von 1983, der das Szenario eines H-Bombenabwurf über den USA durchspielt, werden Kakerlakenstatisten von einem der Hauptdarsteller zynisch als die nächsten Herrscher der Erde begrüsst.
Zurück geht diese Ernennung der Insekten zu den Königen von Doomsday auf Strahlentests, die man bald nach Hiroshima mit so ziemlich ALLEM angestellt hatte. Dabei zeigte sich, das eben Küchenschaben extrem viel Strahlung vertrugen. Ausgewiesene Myrmekologen machen allerdings drauf aufmerksam, dass das für Ameisen nicht zutrifft. Trotzdem war die strahlenmedizische Annahme weit verbreitet, die Ameisen würden die post-humanoide Herrschaft antreten: Als staatenbildende Wesen fungierten sie, wie die Bienen, der menschlichen Imagination schon vor 1945 als Spiegel und zivilisatorisches Äquivalent (vgl. Rieger/Bühler: Das Über-Tier) der Menschheit. So fürchten sich die Myrmekologen im Horrorfilm „Them!“ von 1954 vor einer Versklavung der Menschheit durch zu Einfamilienhausgrösse mutierten Ameisen. Und die „Flintstones“-Macher zeigen mit
„Atom-Ant“ 1967/68 eine Ameise, die durch Bestrahlung extrem stark geworden ist. Das Kleine ist das, was folgen wird auf die selbstverschuldete Vernichtung: Im Song "Das Insekt" der deutschen New Wave-Band „Der Plan“ wird dieses kollektive Wissen noch einmal mehr überhöht endgültig zur messianischen Hymne:

Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt?
Wer ist gerufen, wenn der Mensch verreckt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?
Wer ist der Retter und lebt ganz versteckt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

Wer macht das Paradies auf Erden perfekt?
Wer macht das Paradies auf Erden perfekt?
Das Insekt, das Insekt! Das Insekt, das Insekt!

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